Kanada
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J’m’en calice Saint-Jérôme!

Den Großteil meiner Zeit in Québec verbrachte ich in Saint-Jérôme. Ich durfte bei den Jungs in der WG wohnen, mit denen ich in Gaspésie wandern war. Wir verbrachten eine tolle Zeit, auf einige Geschichten möchte ich euch mitnehmen.

[Prolog: Ich dachte nicht das ich so lang für einen neue Beitrag brauche, die Zeit im Skiresort hat mich nicht zum Schreiben motiviert, ich hab sie einfach genossen. Demnächst werde ich daran arbeiten die vergangenen Erlebnisse aufzuholen.]

Die längste Zeit in Québec verbrachte ich in Saint-Jérôme. Meine beiden Travelbuddys Alex und Alex hatten mich nach der Zeit im Sea Shack eingeladen sie zu besuchen. Der beschauliche Vorort liegt nur 50km, also ca. eine Autostunde von Montreal entfernt. Er bildet die Forte zu den Laurentides eine hügelige Berglandschaft in der Region nördlich von Montreal die mich ein wenig an das Erzgebirge oder die Oberlausitz erinnert. Saint-Jérôme selbst würde ich jedoch als Suburb bezeichnen, ein günstiger Vorort für Arbeiter aus der Großstadt und auch für sozial schwaches Klientel. Definitiv kein verträumtes Bergdorf wie sie in den Laurentinischen Bergen zu finden sind. Es war jedoch mein Zuhause für die nächsten Wochen bis Weihnachten kam.

Meine Freunde wohnen zu dritt in einer zwei etagigen Haushälfte, ich bekam eine Matratze im Wohnzimmer im Hochparterre und war überglücklich nach zweimonatigem Bett auf Rädern. Ich hatte eine richtige Küche zur verfügung und freute mich wieder richtig zu kochen, mit mehr als einem Topf und abwechslungsreicher als Pasta auf 100 verschiedene Arten. Dem Toyota gönnte ich einen entspannten Parkplatz im Hinterhof. Ich wurde herzlich aufgenommen und lebte mich schnell ein, es war eine tolle Zeit mit so vielen Storys. Aus geplant einer Woche Travelpause wurde mehr als ein Monat, was sich leider nicht nur positiv auswirkte. Auf ein paar Erfahrungen möchte ich hier eingehen.

Blick auf den eingeschneiten Hinterhof

Osti de Ciboire! Der Winter kommt mit großen Schritten im November

Aber nun von Anfang an, nachdem ich ankam und das Wochenende durchfeierte mit Beerpong, Cuba Libre und québecoisen Schimpfwörtern wollte ich eigentlich mit Alex B. auf der Baustelle arbeiten und bei einer Hausentkernung helfen. Leider klappte das nicht und meine suche nach englisch-sprachigen jobs scheiterte leider auch in der gesamten Zeit, nichtmal als Lifti am nächstgelegenen Ski-Hang wurde ich genommen. (Osti de tabarnak de câlice!!!) Da ich keinen Job fand, arbeitete ich ein wenig an meinen Projekten und nutzte die freie Zeit so effektiv wie möglich um die Gegend und Leute zu erkunden.

Ich besuchte mit Alex B. seine Eltern im nächstgelegenen Bergdorf und halfen seinem Vater die frischen Holzscheitel winterreif einzustapeln, belohnt wurden wir mit Bier, einer leckeren Kürbissuppe und Flammbrot. Im Haus knisterte der Holzofen, draußen flogen die letzten Gänse über den ruhigen See, die tief stehende Sonne schnitt durch den Rauch des feuers an diesem kühlen Novembertag. Er war schon fast perfekt, aber wir setzten noch einen drauf und besuchten einen alten Militärbunker in mitten der sanften Hügellandschaft. Der Bunkerkomplex hat sich nach dem kalten Krieg von einer Telekommunikationsstation in ein virtuoses Kulturobjekt verwandelt. Das bewährte sich schon als wir den Bunker betraten und vor uns eine Rap-Soul Gruppe, a-capella ihren Song für einen Videodreh performte. Wir mussten wieder raus gehen vor lachen, so lächerlich waren die beiden Gangster mit ihrem Handylautsprecher. Jedoch zündeten sie bunte Rauchfackeln und tränkten die schattigen Räume in eine angenehm düstere Atmosphäre. Ich studierte die Graffitis an den Wänden und wie die Strahlen des Sonnenuntergangs ähnlich eines Lichtschwertes das Gebäude kreuzten, während Alex B. auf das Dach kletterte. Jeder brauch seinen persönlichen Ausgleich. Der farbenfrohe Bunker ist nicht nur Nachts ein Jugendtreff, so kamen und gingen ein Haufen Leute als wir dort waren. In meinen Gedanken malte ich mir aus wie einzigartig die Location für Generator-Konzerte oder Ravepartys wäre. Das Ding hätte potenzial wenn es darin nicht so Gefährlich wäre.

In der Wohnung schaute ich meist Alex L. und Céd beim Xbox zocken zu, führte tiefe Gespräche, lernte ein paar Happen umgasprachliches Französisch oder kochte lecker Essen, meist nicht nur für mich allein. Als Einziger der überhaupt den Herd nutzte, ging ich schön meine Rezepte durch um ein wenig Winterspeck anzulegen und die Jungs zu inspirieren einfach mal auf McDonalds zu verzichten. Es gab Aufläufe, Tortillas, Nudeln, Curry und Salate, sogar Quark mit Pellkartoffeln kamen gut an. Aber finde mal Quark in Nordamerika… .
Ich entspannte viel, es war wieder wie Urlaub im Urlaub. Ich erkundete Saint-Jérôme mit dem Longboard und besuchte das örtliche Kunstmuseum. Aktuell fand ich eine Ausstellung über die NASA und eine Auseinandersetzung mit Goethes „Faust“, was mich echt überraschte. So wurden berühmte Zitate auf verschiedene Arten typographisch zum Ausdruck gebracht. Die Ausstellungen regionaler Künstler kamen mir jedoch zu kurz.
Aufgrund meiner Rückenprobleme begann ich auch wieder Sport zu machen und nicht nur zu wandern. Im örtlichen Naturreservat ging ich laufen und wöchentlich mit Alex B. in seinen Thaiibox-Club. Wobei mir Crossfit mehr spaß machte als Boxen. Beides probierte ich da zum ersten mal aus.

Am Wochenende ging ich oft in die Bars mit livemusik, es waren meist Coverbands mit jedoch echt guter Songauswahl. So fand ich mich einmal im Pogo mit meiner Elterngeneration zu Rage Against the Machine’s „Bulls on Parade“ wieder. Doch viel gab es nicht zu holen in der kleinen Vorstadt, mich zog es eigentlich nach Montreal. Einige male tingelten wir auch dort durch die Bars. So zum beispiel beeindruckten mich die Marker-Gemälde im Les Foufounes Électriques sehr (bedeutet soviel wie der elektrische Popo), eine coole Bar mit Locals und Metal/Punkrock charme. An einem anderen Tag fuhr ich schonmal 200km für ein Konzert um mein Kulturmangel wieder auszugleichen. Dresden ist völliger Luxus dagegen, wenn man sich bei dem Überangebot nicht entscheiden kann zu welcher Veranstaltung man lieber geht. Richtige Subkulturelle Stätten im Underground hielten sich mir leider verborgen.

Doch auch tagsüber besuchte ich vereinzelt die Großstadt, besuchte Anaëlle und klapperte mit ihr alle restlichen Dinge ihrer Liste ab, die ich noch nicht geschafft hatte. Frische Bagels, Schokoladenladen mit Café Mochas in denen der Löffel stehen bleibt, und romantische Stadtviertel mit viel französischem Charme. Aber dazu schrieb ich ja schon genug.

Einmal übersah ich beim vorbeifahren an einer Haltestelle das stoppen des Schulbusses vor mir. Bedeutet Verkehr auf beiden Seiten sollte stehenbleiben. Als ich an der hupenden Busfahrerin vorbei fuhr und verbal erkenntlich von einem Fahrer auf der anderen Seite gefühlt eine Schelle bekam, wurde mir klar wie sehr ich glück hatte das im Polizeiwagen neben mir kein Beamter saß und auch kein Kid über die Straße rannte.

Da fühlte ich mich in den von Stopschildern gesähten Saint-Jérôme wohler, dort war es kaum möglich 200m ohne anhalten zu fahren.
Als ich Anfang November in der Stadt ankam erlebte ich noch ein paar Wochen ohne Schnee, ich hatte sogar die Möglichkeit die Kleinstadt mit dem Longboard zu erkunden. Die Temperaturen änderten sich gegen Ende November und das Thermometer fiel schnell weit unter Null. Damit wurde mir auch klar mich schnellstmöglich auf die Suche nach Winterreifen zu machen, das wurde mir nicht nur aus rechtlichen Gründen geraten, auch die Menge an Schnee und Kälte soll meine bisherige Erfahrung aus Europa auf den Kopf stellen. Auf Kleinanzeigen fand ich nach mehrwöchiger Suche günstige gebrauchte Winterreifen, für mich ein großer Schritt für den Fortbestand meines Reisezieles. In der Werkstatt von Alex B. seinen Bekannten ließ ich die Pneus gegen meine abgefahrenen Sommerreifen wechseln. Mein (im Ernstfall großes) Problem ein dauerhaft plattes Ersatzrad unter dem Wagen klemmen zu haben, welches sich von Hand nicht lösen lässt, wurde frei nach „Werner“ mit dem Schweißbrenner entfernt. Mir ging es dabei natürlich nur um mehr Bodenfreiheit. Ich behielt das beste Sommerrad als neuen Ersatz und baute es unter mein Bett im Auto ein. Die Jungs konnten sich dafür demnächst viel Kaffee kaufen, und eine Stiege Bier ist natürlich global als Zahlungsmittel ebenso anerkannt.

Die Tradition des Black Fridays am 29.11. , den ich ehrfürchtig nur von South Park kenne (damit klar ist von was wir sprechen: South Park – Black Friday), herrscht auch in Kanada. Eine gute Gelegenheit die alte Kopflampe, welche mich bei Nacht auf dem Mt. Richardson im Stich gelassen hatte gegen eine neue LED Lampe (#noaffiliate) mit bisschen Rabatt zu ersetzen. Das ganze fand glücklicherweise ohne Gerangel und Totschlag statt. Kann ich mir hier auch nicht vorstellen.

Crisse de Tabarnak! Die Weihnachtszeit im Dezember

Im Dezember hatten wir recht schnell -20 Grad und mehr, so langsam machte ich mir Sorgen über die Fahrt nach Westen. Also isolierte ich alle Fenster von innen mit spezialem wärme-reflektierenden und dämmenden Material, diese Investition sollte sich lohnen und schuf auch die Vorhänge ab. Zum Glück baute Alex B. seinen Van zur selben Zeit für die gleiche Reise aus, so hielfen wir uns gegenseitig. Zwischendurch gönnte ich mir mit den Jungs gern mal ein Gläs’chen Fireball, ein Zimt-Likör der in ganz Kanada ziemlich beliebt ist. Kann man sich vorstellen wie „Big Red“ Kaugummis kauen mit nem kräftigen Schluck Goldkrone. Auch meine Klamotten waren nicht recht für die aktuellen Temperaturen geeignet, und bevor ich mich gar nicht mehr vor die Tür traute, fuhren wir die Secondhand und Thrift-shops der Region ab. Ein gefütterter Parka für zwei Tacken und aus kanadischer Herstellung überzeugte mich dem Frost hier standzuhalten und wurde neben einem gefüttertem Flannelhemd mein neuer Begleiter. Alle anderen Überlebensnotwendigen Sachen bekam ich schon zeitiger von Paul und Rosalie in New Brunswick. Die Gebrauchtwaren sind meist in großen Hallen untergebracht und an einem Tag pro Woche abwechselnd geöffnet. Neben viel Ramsch, fand ich noch paar coole CD’s. wie z.B. den originalen wipEout Soundtrack von 1995, gefüllt mit Techno Klassikern von Underworld und den Chemical Brothers. Mit dem Computerspiel im Hinterkopf machte das Fahren gleich mehr spaß. Ebenso fand ich eine Best-Of von Sublime und eine französisch sprachige Band.

Eines Abends zog ich mit Alex B. los auf eine Nachtwanderung in den Parc des Falaises des nächstgelegenen Bergdorfes Saint-Sauveur. Wir stapften durch den knöcheltiefen Schnee, der vor trockener Kälte laut knirschte, und suchten einen gefrorenen See auf. Wir hielten uns einerseits warm mit Ahornsirup-Whisky, eine sehr leckere kanadische Variante eines aromatisierten Blends. Andererseits verrückt mit Kopflampen fuchtelnd auf dem Eis herumspringend, um pseudo-kunstvolle Fotos zu erzeugen. Hauptsache warm bleiben bei -19 Grad im Wald. Aufwärmung gab es in der letzten Bar des Ortes, die prompt auf Wunsch von schrecklich aktuellem EDM auf 90’er Rap Perlen wechselte.

Am folgenden Wochenende fuhren wir Camille im zwei-einhalb Stunden entfernten Sherbrooke besuchen. In der WG bekam ich das Gästezimmer im Keller, mein eigenes Zimmer mit cooler Truckerbettdecke, ein Traum.
Ich hab versprochen den zweien Schnitzel mit Kartoffeln, als typische Speise meiner Heimat zum Abendbrot zu machen. Wurde gegessen, wie es schmeckte kann ich nicht sagen, bestimmt besser als meine nicht gelungenen Auberginen.
Am Sonntag besuchten wir eine Kletterpilgerstätte, eine Boulderhalle errichtet in einer alten ungenutzen Kirche der Stadt. Die ikonische Bleiverglasung, Holzornamente und der Altar sind noch erhalten, der Rest mit Kletter- und Boulderelementen ersetzt. Sehr schnieke Idee, und mal ein wirklich triftiger Grund am Sonntag in die Kirche zu gehen. Amen.

Zuhause wurde in der Zwischenzeit mein Weihnachtspaket geschnürt, ich wünschte mir meine Snowboard-Ausrüstung für die bevorstehende Wintersaison. Das Paket wurde am 12. Dezember von meiner Mum in Auftrag gegeben. Danke dafür.

Am Wochenende unternahmen wir Jungs mal alle was gemeinsam. Es ging in den Escape-Room nahe Montreal. Wir suchten uns ein Horrorspiel in Anlehnung an SAW heraus. Bedeutet zu Beginn gefesselt in einem dunklen Raum zu starten und im wettlauf mit der Zeit dem Tod zu entkommen. Größte Herausforderung für mich dabei bestand, die Rätsel zu lösen ohne ein französisches Wort der Geschichte verstehen zu können. Quasi als Joker konnte ich mich auf das Rätsel konzentrieren ohne bei Diskussionen teilhaben zu müssen. Mit fabelhafter Teamarbeit konnten wir uns jedoch durch die Quests kämpfen und der Bluttat an uns entkommen. Am Abend klauten wir ein paar McDonalds Serviceplatten, legten sie unter die Hinterräder des Frontantieblers und drifteten damit, bei dem angenehm dümmlichen neuen Lieblingssong „Petit Poney“ endlos um den Block. Was ein Gaudi. (unbedingt mal reinhören)

Zu einer echten Weihnachtszeit gehört für mich vorallem Glühwein und Kekse. So zauberte ich für uns alle leckeren Glühwein, denn den gibt es im Supermarkt als „Mulled Wine“ nicht zu kaufen und brachte mir ein wenig das Gefühl von Zuhause. Ich besorgte mittelklasse Wein, frische Orangen, Zimtstangen, Sternanis und Nelken, ebenfalls nicht einfach zu finden oder gar günstig zu kaufen. Ich braute zwei liter Glühwein, der Geschmackvollste der mir je gelungen ist. Bei der anschließenden Verkostung wurde von den Jungs eher auf ein Medizintrunk getippt, was geschichtlich betrachtet garnicht so daneben lag. Ich fügte noch ein wenig mehr Zucker hinzu, somit wurde wiederwillig wenigstens eine Tasse von jedem Getrunken. Solche Banausen, wie mit dem Bier, scheint ein anderer gesamtkultureller Geschmack zu gelten. Da wird eher auf verschiffbaren Portwein oder Ale und IPA gesetzt. Gut für mich, so hatte ich den ganzen Dezember durchgezogenen Glühwein aus dem Kühlschrank.

Eines Abends am Wochenende zog es mich wieder hinaus in die Nacht. Es ging nach Val David, einem verträumten Bergdorf in den Laurentiden – knapp 50km entfernt. Ein Irischer Abend mit Livemusik stand auf dem Plan. Der Ort ist laut meinen Jungs ein kleines Künstler-Habitat, mit alten Hippies, Galerien, Yoga- und Free-your-Mind-Kursen, Knitware und allem was dazu gehört – ganz gleich der Neustadt in Dresden. Bei leckerem Stout vom Zapfhahn der lokalen Brauerei und irischer Folklore genoss ich den Abend und versuchte mich mit Alex B’s Eltern auf englisch zu verständigen, die mich dazu eingeladen hatten. Ein Event das ich so garnicht im frankophonen Québec erwartet hätte.
Nach dem Konzert spazierte ich noch ein wenig durch das verschneite Örtchen und kam an einer Kirche vorbei aus der elektro-musik und junge Menschen in Filz-Kleidung strömten. Ich ging hinein und musste mein Grinsen aufgrund eintretender Prophezeiung stark unterdrücken. Vor mir knapp hundert barfüßige Menschen die exzentrisch in bunten Yoga- oder Pumphosen bei verträumten elektronischen Klängen und ruhigem Licht tanzten und in sich schlängelten. Wie sich herausstellte handelte es sich bei diesem Gathering um eine alkoholfreie Sinneserweiterungs-Party, sicher ohne Alkohol doch bestimmt auch mit anderen Substanzen. Zum Ende setzten sich alle händehaltend in einen Kreis zündeten eine Kerze und teilten ihre verbundene Liebe mit der Erde. Für mich war das alles ein bisschen zu übertrieben, war eigentlich nach zwei halben Bier auf dem gleichen Setting, konnte die Veranstaltung jedoch nicht richtig ernst nehmen und hatte echt mit spontanem lachen zu kämpfen, obwohl ich es respektiere. Nach dieser äusserst sinnes-erweiternden Erfahrung fuhr ich noch zu Alex B.’s Weihnachtsfeier des Muay-Thai Sportzentrums, feierte dort mit einem absolut unterschiedlichem Klientel bis in die Morgenstunden bis wir nach St. Jérôme zurück fuhren. Was ein Abend.

Da mir Val David trotzdem so sehr gefiel besuchte ich den Ort am nächsten Tag nochmal und spazierte durch die Umgebung. Ich fuhr weiter nördlich, auf schneebedeckten Straßen durch den Wald ins Niemandsland, bis ich an einen Punkt gelangte an dem zwischen mir und dem Nordpol nurnoch eine unbewohnte Tundra lag. Die Straße knickte ab und für mich war es zeit umzudrehen. Unvorstellbar, nur mit einer Karte gerade so zu fassen.

In der folgenden Woche holten wir nochmal die McDonalds Platten heraus und ich ging mit Céd auf den Rodelberg von St. Jérôme. Ein wenig die Kanten manipuliert und schon hatte man einen unkontrollierbaren Rodel-Bob den ich kurzerhand „Släd“ taufte. Der Spaßfaktor war mega, mit voller Ladung Schnee im Gesicht ging es mit karacho die planierte Rodelpiste hinab, Ziel war es überhaupt unten anzukommen.

An einem klaren Nachmittag im Winter ging ich nocheinmal wandern im Park in St. Sauveur, hauptsächlich zum Fotografieren. Ich traf auf Woody Woodpecker und erlebte einen tollen Sonnenuntergang bevor die kalte Nacht einzog. Ein schöner Winterspaziergang.

Ein mexikanischer Heiligabend in Montreal

Den gesamten Dezember stand ich vor der Frage wo ich Weihnachten und Sylvester feier. Meine Jungs feierten alle bei ihren Familien oder garnicht und das kam für mich nicht in Frage. Ich konnte jedoch auch noch nicht weiterziehen, da ich mein Paket mit dem Snowboard an der Adresse in St. Jérôme noch erwartete. Es war eine Konfliktsitution, mein Plan war es über Sylvester nach New York zu fahren und von da weiter nach Toronto. Das Paket traf leider auch bis Heiligabend nicht ein, so machte ich mich auf die Suche nach anderen Lösungen. Ich fand spontan eine Couchsurfgelgeheit am 24. Dezember bei Tanja in Montreal. Ich packte meine Sachen und verabschiedete mich bei meinen liebenswerten Gastgebern. Ich wusste ich werde zurückkehren wenn das Paket angekommen ist.
Ich legte Canned Heat mit „On The Road Again“ ein als ich auf den Highway nach Montreal einlenkte und meine Mundwinkel wanderten zu den Ohren, ich war wieder unterwegs.

Angekommen bei Tanja gab es provisorisch ein Glas Wein, wir lernten uns kennen und beschlossen auf „Le Marché de Noël“ (Weihnachtsmarkt) zu gehen, was ich mir seit langem schon vorgenommen hatte. Tanja kommt aus Mexiko und verbringt ihren ersten Winter in Kanada, das bedeutet das erste Mal Schnee im Leben. Leider kamen wir eine halbe Stunde zu spät, es wurde schon abgebaut und es war der letzte Tag. Es blieb gerade noch Zeit ein paar Fotos mit den Maskottchen zu machen. Daraufhin gingen wir einkaufen in einen der schönen Frischemärkte, die aufgrund der hiesigen Temperaturen in urigen Markthallen untergebracht sind. Da Tanja traditionell mexikanisches Weihnachtsessen zubereiten möchte, war ich nur für das tragen zuständig, jedoch sehr gespannt angesichts der Zutaten. Wir besorgten noch Wein und machten uns auf den langen Rückweg, da ihre Freunde schon bald vor der Tür standen.

Meine Aufgabe bei der Zubereitung war es Kartoffeln und Möhren zu schälen, sowie scharfe grüne Paprika zu entnehmen.
Es gab gedünstete Pepperoni gefüllt mit selbst zubereitetem Frischkäse oder hackfleisch dazu lecker pfeffrigen Kartoffelsalat wie ihn Tanjas Oma zubereitet und leicht angebratene Spaghetti mit Käse. Eigentlich garnicht so fern von unserem Heiligabend-Mahl.

Zu Besuch kam eine szenebekannte Tänzerin und ein Amerikaner mit russischen Wurzeln. Ich konnte mit meinem halbwissen über Palucca und der Forsythe Company wenigstens meine Heimatstadt in ein gutes Licht rücken.
Nach dem Abendbrot wurde es lustig, ich bekam die Möglichkeit originalen mexikanischen Tequila zu kosten, und dabei blieb es nicht. Wir leerten die Flasche und anschließend den Flachmann mit gutem russischen Wodka, dazu sangen wir Karaokelieder aus unserer Heimat. Bei der berühmten russischen Band „Leningrad“ konnte ich sogar den Refrain mitstimmem, wobei ich bis heute nicht weiß was ich da eigentlich sing. Wir tanzten und hatten spaß, auch wenn das der mürrische Kater Yunus nicht mochte. Es war ein verrücktes tolles Weihnachtsfest, ganz ohne Besinnlichkeit und Lichterschein, nächstes mal wieder.

Mit einem Kater wachte ich am nächsten Morgen auf. Mir ging es blendend, es war Yunus der sich vor der Balkontür in der Vormittagssonne reckte und an der Jalousie kratzte. Es war wirklich guter Tequila.
Nach einem entspannten Frühstück unternahmen wir einen Weihnachtsspaziergang zum Mount Royal, es war eine Pilgerstätte am ersten Feiertag. Das Wetter war abwechselnd und wir hatten dennoch eine schöne Aussicht auf die Stadt (zb. auf das Leonard Cohen Mural). Die kalte Luft ließ hier und da stecknadelkopf-große Schneeflocken fallen, selten kann man die Formationen der Eiskristalle so schön betrachten. Wir kehrten heim, vorbei an rodelnden Familien und ich machte noch kurz meine Wäsche bis ich mich auch schon von Yunus und Tanja verabschiedete.

Ich blieb für die nächsten Tage in einem Hostel in Montreal bevor ich weiter nach New York reiste.

7 Kommentare

  1. nettimum sagt:

    Ach wie herzergreifend, wieder deine Zeilen zu lesen.
    Bitte bleib dran , es ist so köstlich geschrieben und deine Bilder wieder weltklasse. LG Mum

  2. Karl-Heinz Schölzel sagt:

    Hallo Florian,
    herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag, alles, alles Gute, genieß die Zeit. Du wirst bestimmt eine lustige Fete haben…Deine Berichte, Fotos und Videos sind immer herzerfrischend, da macht das Lesen und Angucken wirklich Spaß. Deshalb vielen Dank, daß Du uns an Deinen Erlebnissen teilhaben läßt. Wir wünschen Dir noch eine wunderschöne Zeit.
    Liebe Grüße
    Karl-Heinz und Christine

  3. Ursula schölzel sagt:

    Es geht weiter, habe mich auch etwas verzögert mit dem Lesen oder bei mir wurde nicht alles angezeigt, sowas kommt ja schon mal bei der Datenübertragung vor. Macht nichts, hab trotzdem Spass deinen Bericht, auch wenn die anderen schon
    zwei Monate eher deine Story’s kennen, zu lesen. Also wieder Klasse deine Erlebnisse. Morgen sind wir auf dem Klosterbergweg und trinken auf dein Wohl.
    Liebe Grüße von deiner Omi u.Opi aus Demitz

  4. René Gelfert sagt:

    Hey Bro,
    Ein sehr toller Beitrag. Ich finde es klasse dass du so offen auf andere Menschen und Kulturen zugehst, mexikanisches Weihnachten in Montreal, WOW! 🙂
    Bleib gesund, ich freue mich auf die nächsten Beiträge!

    PS: wenn du wieder da bist besorgen wir uns ein Paar MC Donalds-Platten 😉

    Allerbeste Grüße aus Dresden,
    René

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