Kanada
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Im Bann der Füchse auf Prince Edward Island

Charlottetown lag auf dem Plan, also ging es für mich von Halifax über eine kleine Ecke von New Brunswick weiter zu der betagten Provinzhauptstadt auf der von roter Erde getränkten Insel – Prince Edward Island.


Leider überquerte ich die Confederation Bridge noch am Abend, und konnte in der Dunkelheit das Ausmaß der 13 km langen Brücke nur erahnen. In Charlottetown angekommen suchte ich zum Abendbrot die libanesische Küche von Cedar’s auf. Kurz vor Küchenschluss um elf, bekam ich noch ein sehr leckeres Fattouche, ein Brotsalat mit Linsen, Bohnen und dünnem Fladenbrot, extra lecker angerichtet laut Köchin. Gut gesättigt und auf der Suche nach dem Gerstensaft fand ich mich im Hopyard ein, einer Craftbeer-Kneipe mit Plattenkisten zum LPs stöbern. Ich war glücklich. An diesem speziellen Abend gab es alle Biersorten einer lokalen Brauerei frisch aus dem Fass. Der frivole Bartender lud mich ein, jede Sorte vom Hahn zu kosten bis ich mich für eine Sorte entschieden hatte. Nichts lieber als das. Dazu suchte ich mir die TROJAN „Original Root Boy Classics“ zum Abspielen heraus und genoss den Abend am Tresen.

Charlottetown, die Stadt zum alt werden

Am nächsten Tag schlenderte ich durch die Stadt und besuchte das Kunstmuseum, geschmückt mit Werken ansässiger Insulaner. Neben der vielen realistischen Gemälden und teilweise abstrakten Entstehungsprozessen wie z.B. eine Porzellanfigur gehüllt in Bienenwaben, gefiel mir auch die farblich sortierte Kunst-Buchsammlung.
Über die Kühnheit der Kanadier bei 8 Grad im Schatten gemütlich Eis zu schlecken, war ich vorerst überrascht. Nachdem ich aber gesehen hatte, dass es laut Eisliebhaber-Insider-Magazin das beste Eis auf der Welt sein soll, schlug ich dann doch zu und ließ mir mit ner dicken Kugel Blueberry die Tüte füllen.
Die Abende in Charlottetown gestalteten sich ziemlich laut, über Cedar’s gab es eine Musikbar. Bei günstigem Eintritt gab es an einem Abend eher lasch abgeschmeckten Pop-Punk á-la Blink182 auf die Ohren und an dem anderen in Kraftbrühe getränkte lokale Metalkombo’s und eine Metallica Coverband. Ging gut ab, zumal ich das in dieser Renten-Residenzstadt nicht erwartet habe. In der Tradition des „feiern“ gehens, gab es nach dem Konzert noch eine fette (fatness) Poutine mit Zwiebeln, Mozzarella und Bratensoße Olé.
Jeden Abend auf dem Heimweg begegnete ich einen Fuchs in der Nacht. Sogar einem völlig schwarzen, welche laut Ortsansässigen sehr selten sind. Die Füchse sind das Zusammenleben mit dem Menschen gewöhnt und sind somit kein bisschen scheu. Sie wurden in der Kolonialzeit zur Pelzproduktion gezüchtet und gejagt. Heutzutage natürlich nicht mehr, und so ist der Fuchs das Wahrzeichen der Insel.

Am Sonntag besuchte ich den Herbstmarkt in der Stadt. Es kamen alle umliegenden Landwirtschaftsbetriebe und verkauften zu günstigen Preisen lauter saisonales Gemüse. Zusätzlich gab es lauter Läden mit kleinen Kunst und Handwerkssachen. Die Straßen waren voll, und ich stand auch kurz Parade um die lokale Kartoffelproduktion anzukurbeln. Zusätzlich gab es einen Opa auf dem Skateboard, eine schöne Feuerwehr, patrouillierende Sternenkrieger am Morgen und ein gepflegtes Gouverneursgebäude mit englischem Rasen und Garten.

Kartoffeln für Alle

Mein nächstes Ziel war der Nationalpark im Norden der Insel. Auf dem Weg dahin fuhr ich vorbei an Kartoffelfeldern und durch zahllose Bauerndörfer, in denen nach wie vor der Traktor einziges Fortbewegungsmittel bleibt. Ich fuhr die Küste mit ihrer typisch roten Erde entlang nach Cavendish. Bevor ich auch nur den Strand erreichen konnte, wurde ich von einem Fuchs überrascht der direkt auf meinen Wagen zu lief. Als ich ausstieg um ihn Fotografieren zu gehen und zum Wagen wiederkehrte, warteten schon zwei weitere auf mich. Diese Wegelagerei lud direkt zu einer Fotosession ein, denn sie ließen mich bis auf wenige Meter heran. Aufgewachsen mit fütternden Touristen, hatten die Füchse hier, kein bisschen natürliche Angst mehr.
Nachdem wir das gegenseitige Interesse verloren hatten, besuchte ich bei stürmischer See den Strand, es war wieder Sonnenuntergang. Ein Kite-Surfer genoss den Abend an der Küste genau wie ich.
Die Nacht fand ich einen windgeschützten Feldweg mit schönen Blick über das fruchtbare Land.

look at this cute little Friend

Am nächsten Tag besuchte ich das fiktive Anwesen der Romanfigur „Anne of Green Gables“. Ich habe das Buch leider nie gelesen, im Gegensatz zu den zahlreichen Japanern die ich vor Ort antraf. In Japan soll die kanadische Geschichte seit vielen Jahrzehnten schon Schullektüre sein, sodass es für viele Menschen zu einem Wallfahrtsort wurde. Selbst die Hinweisschilder der Hotels in Cavendish sind zur einfachen Orientierung auf japanisch geschrieben.
Ich nutzte das Gebäude des Green Gables Heritage Places, mit seiner Detailtreue die Erzählung des Romans aus dem Ende des 19. Jahrhunderts abzubilden, als Stillleben für ein paar nostalgische Bilder.

Am Abend fuhr ich in den geschlossenen Campingpark, auf der Suche nach sanitären Einrichtungen und einem Platz für mein Abendbrot. Ein ziemlich populärer Gedanke, denn genau hier traf ich Franzi und Rita aus Berlin, die auf der Suche nach dem Selben waren. Wir schlossen uns zusammen und weil die Stelle perfekt war blieben wir die Nacht gleich dort, machten Feuer, tranken Wein und lauschten dem Gejaule der Kojoten. Am Morgen besuchte uns jedoch eine nette aber voll munitionierte Rangerin, um klarzustellen das hier nix ist mit Feuer machen und Übernachten wenn der Campingpark geschlossen ist. Wir wollten nicht lügen, entschuldigten uns und waren froh, dass es eine Nacht ging. Den Nationalpark mit seiner schönen Küste erkundeten wir auf einem ausgedehnten 8km Strandspaziergang bis wir am Abend nach Charlottetown  zurück fuhren, für Meeresspezialitäten aus einem gefragten kleinen Restaurant und auf eine Session UNO und Wein auf dem Walmartparkplatz. Am nächsten Tag trennten sich unsere Wege wieder und Franzi schenkte mir einen dicken Schlafsack den Sie noch übrig hatte. Vielen Dank, der war bitter nötig.

Wildcamping unter Aufsicht der Tierwelt

Ich blieb noch einen Tag in der Region und besorgte mir einen leckeren Kürbis für Thanksgiving an einem der vielen Selbstbedienungs Stände am Straßenrand. Auf dem Weg über die Insel landete ich auf einer unasphaltiertem Straße in einem dichten Wald, perfekt um mal wieder das 4×4 Getriebe geschmeidig zu halten. Ich suchte mir einen Punkt auf dem Hügel zur Übernachtung, einen schönen Fleck am Wald um Kürbissuppe zu kochen. Nachdem ich mich eingerichtet hatte und in der Dämmerung mit Kochen begann, wurde ich von einer Eule inspiziert, welche ständig und sehr nah um mich kreiste und schaute was ich hier draußen denn zu tuen habe. Fotografieren war schwer bei dem Licht. Bei richtiger ISO-Belichtungszeit-Justierung hat es für ein Geisterfoto aus der Hand heraus doch gereicht. Noch nie in freier Natur gesehen, war sehr schön und majestätisch. Die Kürbissuppe war auch lecker und gab es dann noch vier Tage. Ich genoss die Nacht draußen bei klaren Sternenhimmel obwohl ich wieder Kojoten heulen hörte.

Musik: Auf Der Axe - Peter Pan Speedrock

Auch für mich wurde es Zeit weiter zu ziehen, und so verließ ich die Insel, diesmal bei Tageslicht über die ewig lange Confederation Bridge nach New Brunswick. Echt ein verrücktes Gefühl so lang über den Ozean zu fahren.
Mein Weg führte mich nach Moncton in das öffentliche Schwimmbad, dort gönnte ich mir eine Sauna, eine warme Dusche, Sauna, einige Bahnen im Schwimmbecken und Sauna. Völlig tiefenentspannt und mit diffusen Schimmern der Straßenleuchten in den chlorgetränkten Augen, fuhr in der verdammt kühlen Nacht nicht mehr weit und schlief bei Walmart in der Stadt. Quasi mit Handschuhen noch kurz vor Mitternacht Rührei gebraten.

Am nächsten Tag machte ich mich auf zum Fundy Nationalpark. New Brunswick.

5 Kommentare

  1. Nettimum sagt:

    Hey großer Abenteurer…genial erzählt und wieder tolle Fotos. LG von zu Hause

  2. Lilli sagt:

    defuxe… die Vergangenheit holt einen immer wieder ein 🙂 Großartig! KDL :-*

  3. René Gelfert sagt:

    Sehr tolle Worte und Bilder mein Freund.
    Auf der Axe 😉

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