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Lost in Translation – französische Hürden in Gaspésie

The Story goes on. Ich nahm den direkten Weg nach Gaspésie, die Halbinsel am östlichsten Zipfel Québecs. Immer entlang der Küste des St. Lorenz Golfes, erklomm ich Sprachbarrieren und erste richtige Berge seit Neufundland. Ich besuchte die geschichtsträchtige Stadt Gaspé und erkundete den Forillon Nationalpark.

Die Gaspésie: Eine unerwartete Reise

Auf Pauls Empfehlung sollte ich unbedingt an der Küste entlang den Bogen über die Halbinsel Gaspésie nehmen bis nach Québec-City. Dies ging einher mit dem Tipp von Sam, für ein Wochenende halt in dem berühmten Sea-Shack Hostel zu machen, an dem ich unweigerlich auf meiner Reise entlang des St. Lorenz Stromes vorbei kommen werde. War für mich damals alles noch weit entfernt, ich war mir auch nicht sicher ob ich diese Route einschlagen werde, da der Weg immerhin um ca. 1000km verlängert wurde, ich hatte ja keine Ahnung.

Nach einem reichhaltigen und langen Frühstück machte ich mich gegen Mittag in die Spur, denn eine lange Etappe lag vor mir. Auf meinem Weg durch den nördlichen Teil von New Brunswick entlang der Chaleur Bucht, bot sich immer ein grandioser Blick auf das Meer, jedoch auch auf viele unbewohnte und zerfallene Häuser.
Ich erreichte am Abend die Stadt Campbelton, überquerte auf der Brücke den Fluss und setzte somit nach Québec über. Von nun an galt die Hauptsprache Französisch und dies in einer Konsequenz die ich so nicht erwartet hatte. Erste Schwierigkeiten ergaben sich schon bei der Navigation, die Städte korrekt zu schreiben, und auch die Schreibweise zu merken fiel mir schwer. Hinzu kommt die Kommunikation, aber was solls ich habe mich bewusst dazu entschieden. Öfters ertappte ich mich, wie ich aufgrund meiner bisherigen Lebenserfahrung dachte, ich sei in Frankreich. Für sehr kurze Momente, war ich wieder auf der anderen Seite der Erde.
Ich fuhr geografisch gesehen den selben Weg wieder zurück, nur auf der anderen Seite der Bucht. Mit eintretender Dämmerung machte ich mich auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit, es wurde einer der vielen Rastplätze, jedoch abseits der Hauptstraße direkt am Wasser. In Québec boten sich mir viele Rastplätze mit Toiletten, Wasser und Unterständen entlang der Straße an, das habe ich so noch nicht gesehen. Leider waren die meisten seit 01. Oktober für die Wintersaison geschlossen.

Harry Trotter und die Heiligtümer des Todes

Am nächsten Morgen ging es weiter nach Gaspé, der größten Stadt im Norden des Gaspésie-Zipfels. Ich schlängelte mich an der Küstenstraße entlang am Sankt-Lorenz Golf und den nördlichsten Ausläufern der Appalachen, welche weit bis nach Mississippi und Alabama reichen.
Auf der Route lag die Stadt Carleton, in der ich hielt um bei der Mikro-Brauerei „Le Naufrageur“ vorbei zuschauen und nach einer Besichtigung zu fragen. Leider war das ohne Anmeldung und als einzelne Person nicht möglich. Ich blinzelte durch die Fenster, begutachtete die schön gestalteten Bieretiketten und deckte mich vorsorglich mit drei Sorten des feinen Stoffes ein.
Ihr wisst ja, Genusstrinker. 😉

Auch die Infrastruktur hat sich langsam geändert je weiter ich in den Westen komme. Die Straße verbindet nicht mehr nur Ort mit Ort, unentwegt entlang der Straße reihen sich Wohnhäuser, die Straße dient als Lebensader inmitten kompletter Wildnis. Wie Wild, das bemerkte ich erstmals als ein Truck mit einem aufgespannten Elchkopf an mir vorbei fuhr. Als eine Art Jagdsouvenir wird der Tierschädel bis er verrottet triumphierend durch das Dorf gefahren. Manchmal ein, seltener zwei, vorn von der Motorhaube oder aus der Ladefläche starren dich leblose Augen an, denn es war gerade Jagdsaison. Traditionell werden die Elche direkt an einem Dreibein zum ausbluten gehangen und nach dem abziehen des Felles in der Garage zerteilt und das Fleisch zum trocknen aufgehangen. Das einzig gute für mich daran war, das ich endlich in den Genuss kam, ausgewachsene Elche bei Tageslicht zu sehen, auch wenn sie leider keinen Mucks mehr von sich gaben.

Es war eine lange fahrt bis nach Gaspé. An diesem Tag, den 17. Oktober, ließ ich mal wieder CBC Radio laufen, ein Sender der mich stark an radioeins erinnert, nur besser. Es liefen den ganzen Tag Songs von The Tragically Hip und seinem Leadsänger Gordon Downie, welcher an diesem Tag an einem Hirntumor gestorben war. Ich habe von der, in Kanada ziemlich populären, Band noch nie etwas gehört. Es war ein guter drive für den Tag, und die Songs begegneten mir seit dem öfters. Hört mal rein, Gordon soll ein ziemlich angenehmer Zeitgenosse gewesen sein.

Nach einigen Stunden gönnte ich mir eine Pause am Meer. Parallel zur Straße folgte ich kontinuierlich einem alten Eisenbahngleis. Nach einer Brücke fand ich einen schönen Vorsprung um zu parken und dem Sonnenuntergang entgegen zu frönen. Ich machte ein paar Fotos in der Bucht, vor allem die interessanten Steine welche aus dem Sand stachen hatten es mir angetan.

Irgendwann am Abend erreichte ich das Fischerdorf Percé mit seiner berühmten Felsinsel Rocher Percé. Ein 88 Meter hoher Kalksteinfelsen vor dem Hafen, der bei Ebbe zu Fuß erreicht werden kann. Ich wäre durch gerauscht, hätte ich mich nicht an das Bild aus dem Reiseführer erinnert. Also kurz gehalten und auf einen Campingplatz geschlichen um wenigstens halbwegs freie Sicht auf das Motiv zu haben. Ich mag Fotos bei Nacht.
Durch schöne kurvige und hügelige Küstenstraßen zog ich weiter bis ich endlich in Gaspé ankam. Es gab eine leckere Pizza für die Tagesleistung und die Bedienung schrieb mir noch ein paar Sehenswürdigkeiten auf. Rocher Percé – Check.

Für einen ruhigen Schlafplatz fuhr ich an einen nahe gelegenen Strand und suchte Windschutz hinter einer Düne. Nach einem kurzen Spaziergang am Strand, als Aufwärmung für die kühle Nacht, zog ich mich in meinen Doppelschlafsack zurück.

Hallo Robbie!

Am nächsten Morgen fuhr ich weiter hinaus am Strand bis ich mit dem Wagen direkt am Wasser stand. Ich traf wieder auf den alten Bahngleis, es war ein perfekter Ort für das Frühstück. Ich kochte mir einen Kaffee und beobachtete die Möwen beim Stoßtauchen. Ich machte mir es bequem auf einen angespülten Baumstamm und beobachtete das Szenario. Ich staunte nicht schlecht, als ich bemerkte das sich zudem noch ein Haufen Seehunde vor mir herumtummeln. Dieses Naturspiel ist typisch, Die Robben treiben die Fische von unten an die Meeresoberfläche und die Möwen picken sich von oben ihren Anteil. Die Seehunde störten sich nicht an mir, trauten sich jedoch auch nicht näher als 20m heran. Die quirlige Kolonie bestand aus mindestens 30 Robben. Es war ein tolles Erlebnis, vor dieser Kulisse.

Am Strand traf ich noch auf einen Jäger welcher eigentlich Gin-Brenner war, aber unter einem Tarnnetz lag und komische Geräusche trötete. Ich hatte schon befürchtet er hat es auf die Seehunde abgesehen. Aber er versuchte nur in seiner Mittagspause eine zuvor angeschossene Ente mit angeblichen Paarungsrufen anzulocken. Ich ließ ihn mal machen. Der Gin wird übrigens aus einem Mix wilder Pilze aus Gaspésie hergestellt, selbst die ARD war schon da.
Kommt ab 11.12. irgendwann in der Serie „Verrückt nach Meer“ im Fernsehen.

The Enemy Below – Duell im Atlantik

Tagsüber sah ich mir die Stadt Gaspé an, neben der Statue von Jacques Cartier und einer obskur modernen Kirche hatte die Stadt nicht viel zu bieten. Von Cartier im Auftrag des französischen Königs 1534 als eine der ersten Städte in Neufrankreich gegründet, ist leider heutzutage nichts von dieser Geschichtsträchtigkeit mehr zu sehen. Im Touristeninformationscenter wurde mir Empfohlen unbedingt am Hafen die Geschützbunker der Canon de Fort Péninsule anzusehen. Dazu bekam ich eine Geschichtsstunde über den zweiten Weltkrieg. Mir war nicht bewusst, dass der Sankt-Lorenz Golf von deutschen U-Booten belagert wurde, die insgesamt 23 Schiffe versanken. Aufgrund dessen wurde vor dem Hafen von Gaspé ein riesiges U-Bootnetz installiert und mehrere Geschütze an der Küste angebracht. Das Netz liegt heute noch auf dem Grund der Bucht. In der Nacht herrschte für die Bevölkerung absolutes Lichtverbot. Die Bewohner hatten Angst vor Spitzeln, Schiffe wurden nur in Kolonne durch den Kontrollposten des Netzes geführt. Der Teil der Geschichte birgt viel Krimistoff, es wurden ein dutzend deutsche Spione unbemerkt mittels U-Boot im Hafen abgesetzt. Es soll sogar der Mythos eines deutschen Spions geben, welcher ertappt wurde wie er auf deutsch über U-Boote sprach, und somit aufflog. Vor dem Krieg haben Nazis sogar versucht die Insel Anticosti vor Gaspé zu kaufen. Alles sehr spannend.

Die fabelhafte Welt der Gaspésie

Mir wurde auch Empfohlen den Forillion Nationalpark zu besuchen, einer der wenigen „Parcs Canada“ in Québec und somit für mich mit meiner Jahreskarte kostenfrei. Der Park ist relativ klein und umgibt nur die östlichste Spitze der Gaspésie. Er ist berühmt für seine reiche Tierwelt, in den Wäldern und im Meer, so kann man mit Glück Minkwale beobachten und Seehunde sind täglicher Begleiter. Es ist ein Park voller Berge und schroffer Klippen an der Küste.
Ich wanderte am Nachmittag entlang des Küstenstreifens mit Aussicht auf klaren Himmel und Meer. Das Hinweisschild am Eingang warnte ausdrücklich davor, dass Bären auch den Weg benutzen. Die Rangerin beschwichtigte mich das diese hier sehr ängstlich sind. Wer hat am Ende nun mehr Angst vor wem?
Ich ging also (an)gespannt den Weg entlang und ärgerte mich den Wanderstock im Wagen gelassen zu haben. Ich erschrak, denn hinter einer Kurve sah ich etwas, als ich mich noch einmal traute weiter zu gehen stieß ich auf ein Lebewesen was ich auf dem ersten Blick nicht deuten konnte. Auf dem zweiten Blick war es ein Baumstachelschwein welches mich verdutzt ansah, obwohl es doch nur in Ruhe seine Nahrung aufnehmen wollte. Die Tiere sehen so lieb aus, ich musste herzlich lachen das ich so erschrocken bin. Doch ich habe hinter jeder Kurve einen Bären erwartet und das Gefühl enttäuschte mich nicht. Nachdem ich zurück am Auto war wollte ich zu einem weiteren Wanderweg fahren und zack, nach einer Bergkuppe sah ich den Ursus. Ein kräftiger Schwarzbär stand am Straßenrand und schaute zu mir, ich hielt Den Wagen und zückte die Kamera. Ungestört widmete er sich wieder den Beeren am Straßengewächs und ich versuchte ihn auf ein paar Bilder einzufangen. Die ca. 30 Sekunden waren schnell vorbei und er/sie verschwand im Gebüsch. Ich war total geflasht. Bei der kurzen Wanderung zu einem Wasserfall konnte ich an nichts anderes mehr denken. Es dämmerte schon und ich beeilte mich eine Stelle für die Übernachtung zu finden. Im Park fand ich wieder eine große öffentliche Hütte mit Feuerstelle, fließend Wasser und Toiletten. Es war fast wie ein Hotel, direkt am Meer mit Steg. Nur das keiner hier ist, außerhalb der Saison. Fast, am Abend fanden sich noch 3 ruhige Reisende aus Frankreich mit ein, wir spielten eine Runde Monopoly.

Für den nächsten Tag habe ich mir einen Berg mit Aussichtspunkt vorgenommen, ca. 4 Stunden Wanderung. Ich machte draußen ein schickes Frühstück, denn in der Hütte hatte der Schulbus einen Haufen pubertierende Teenager abgesetzt. Eine der Lehrerin informierte mich über die Einzigartigkeit dieser anglophonen Schule hier in Gaspé. Sie bestätigte das der Park sehr hoch von Schwarzbären frequentiert wird, was meinem Wohlbehagen nicht gerade positiv beitrug. Als ehemalige Meeresbiologin bestätigte sie mir auch die Bestimmung des Buckelwales damals in St. John’s. Ein guter Start in den Tag.

Ich machte mich auf zur Spitze des Berges Mont Saint-Alban, diesmal mit Wanderstock und ordentlich Hummeln im Hintern. Meine Bärensichtung war von hier aus keine 500m entfernt. Zum Glück war das spannendste das Erklimmen des 30 Meter hohen Aussichtsturmes und nicht eine Begegnung. Die Aussicht auf der windigen Spitze war atemberaubend. Auf 283 Metern, unter mir die tiefen Klippen die bis zur Meeresoberfläche reichen, um mich herum ein weiter Blick auf die Bergkette der Appalachen.
Nach der Tour suchte ich am Cap-Bon-Ami auf der anderen Seite des Parks eine weitere Hütte auf bei der ich diese Nacht bleiben wollte, durch das Resort führten mich schöne bergige Straßen. Da mir noch ein wenig Tageslicht übrig blieb entschloss ich den nahegelegenen Leuchtturm am Cap-des-Rosiers zu besuchen. Auf dem Weg, musste ich plötzlich stoppen als ein ausgewachsener Elch auf der engen Straße stand. Er stand am Rand und schaute in den Busch, dann erklang ein krachen des Geweihs und ein zweiter Elch trat aus dem Wald. Mittlerweile war ich ausgestiegen und versuchte so nah wie möglich an die zwei heran zu treten. Es war das erste mal das ich männliche Elche lebend vor mir sah. Sie störten sich nicht an mir und rangelten fröhlich weiter. So hatte ich zeit für einige Fotos und konnte sogar filmen. Die vermutlich jungen Brüder verschwanden wieder im Wald als ein anderes Auto auftauchte. Das war wirklich ein spannendes Erlebnis. In zwei Tagen hatte ich im Forillon Nationalpark mehr außergewöhnliche Tierbegegnungen, als in der voran gegangenen Zeit hier in Kanada.
Der einsame Leuchtturm in dem Einhundert-Seelendorf bot ein wunderschönes Motiv in der blauen Stunde. Es ist einer der größten Leuchttürme in Kanada und bildet den östlichsten Posten des Sankt-Lorenz Stromes.

Die Hütte war voller Menschen als ich wieder zurück kehrte. Es ging zu wie an einer Geburtstagsfeier. Ein Tisch zum Essen war noch frei und der Ofen war gut angeheizt. Es war eine gesellige Runde Québécoiser Oldies, nach kurzer Zeit war ich involviert, durfte vom reich gedeckten Tisch kosten und auch einige angebotene Bier nicht verneinen. Es war ein Treffen alter Freunde wie ich herausfand. Als dann die Gitarre ausgepackt wurde ging die Post ab, es wurden québecer Vokslieder gesungen und getanzt. Ich holte meine Klampfe und es wurde mir der „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash beigebracht. Später war ich dann dran und spielte meine drei Songs die halbwegs frei gingen. Es wurde mit mir eher französisch gesprochen und ich habe meistens genickt und geraten, einige übersetzten auf englisch. Die Konversationen waren tiefgründig, ich war mir nur nie sicher ob wir wirklich vom selben Sprachen. Zwischendurch lernte ich noch ein paar französische Phrasen. Wow, was für ein Abend, das hatte ich nicht erwartet, so nette Menschen.

Am nächsten Tag, nach einem goldigen Frühstück machte ich mich auf den Weg nach Sainte-Anne-des-Monts, es war Samstag und das Wochenende im Sea Shack Hostel wartete auf mich.

2 Kommentare

  1. Ursula schölzel sagt:

    Verrückt nach mehr, mußte deinen ausführlichen Bericht gleich zweimal lesen,
    wunderbar lieber Flo. Ich möchte gleich mit dabei sein, wandern, Berge besteigen, raue Brandungen erleben auch ungewöhnliche,interessante und
    aufgeschlossene Menschen begegnen, Abenteuer pur ……… und du wirst auf deinem Trip noch viel, viel erleben u. sehen, ich freue mich für dich.
    Neben mir liegt unser Reiseführer Kanada aus dem Jahr 1997 , ja ja lang ist es her. Tschüss und schöne Weihnachtszeit, esse nicht zu viel Stollen, macht nur dick, liebe Grüsse von O&O

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