Kanada
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Bunt schillert der Fundy Nationalpark im Herbst

Die Reise ging weiter. Ich erkundete den Süden von New Brunswick und besuchte den Fundy Nationalpark mit seinen extremen Gezeiten, Übernachtete auf einem der lässigsten Campingplätzen meiner Reise und besuchte die Hopewell Rocks um von da wieder nach Moncton zurückzukehren.

So genau wusste ich gar nicht wohin die Reise weiter gehen soll. Ich bin früh in Moncton aufgewacht, kurz das nötigste im Walmart erledigt und hatte erst mal keinen Plan. Ich erinnerte mich das mir ein Reisender aus Israel empfahl den Fundy Nationalpark zu besuchen. Er erzählte begeistert davon wie er auf einen großen Brocken in der Bucht kletterte, chillte und dabei nicht bemerkte wie sich das ganze Becken wieder füllte. Nur von Fels zu Fels springend konnte er sich aus den reißenden Gezeiten-fluten retten. Ja, das war übertrieben aber so habe ich mir die Story vorgestellt. Die Entscheidung war klar, so schwer war es gar nicht einen dieser Wege nach Rom zu finden. Und so hängt alles vom Zufall ab, je nach dem welche Menschen dir über den Weg laufen, beeinflussen diese deinen weiteren Weg. Genau dieser Flow, fällt mir auf der Reise besonders auf. Eine Zeit in der man täglich neue Entscheidungen trifft und nie lang in einer Komfortzone sitzt. Du fährst mit einem Affenzahn in dem Stock-Car namens Schicksal, geschmückt mit deinem Geburtsjahr auf der Heckscheibe, durch die Demolotion-Derby-Arena deines Lebens. Jede Kollision und jedes Gedränge ändert deine Spur. Wie die Geschichte am Ende ausgeht wissen wir alle. Auf meinem Weg traf ich einen Taxifahrer der leidenschaftlich Demolitionderby fährt, er meinte jedoch, dass für Ihn nicht der Wettbewerb sondern allein die Teilnahme an diesem Event zählt. Mit allen Mühen und Arbeiten die dafür notwendig sind.
(Ich war damals froh, dass er nicht unser Taxi wie in der Arena fuhr.)

Und beim losfahren bemerkte ich auch schon wie die Komfortzone einstürzte. Nicht einmal aus der Stadt herausgekommen, hörte ich ein langsam steigendes Dröhnen und ich wusste… aus Erfahrung, der Auspuff ist ab. Also ran an die Tanke, wieder unter die karre gekrabbelt, Schellen nachgezogen, neuen Draht zum fixieren verlegt. Die Reifen waren auch ziemlich platt. Das ist Kanada, da hat einer nur einen einzigen schlappen Reifen, besteht aber darauf die Zahlungen für den Kompressor zu übernehmen und übergibt dir die Restzeit. Ich hab die Tradition mit dem Nächsten gleich so weiter geführt. Mit vermeintlich gutem Gefühl zog ich nun los auf den Weg zum Fundy Nationalpark.

Musik: Dexter und Morlockk Dilemma - Ghettoweihnacht (Instrumental), Die Wettermaschine (Instrumental)

Der Herbst, der ist ein Malersmann, er malt die grünen Blätter an

Der Tag verging wie im Flug. Die fahrt war wundervoll durch den bunten Herbst in dem großen Landstrich geprägt von Agrarwirtschaft, vorbei an Getreidesilos, Vieh und altem Gehöft. Ich erreichte mein Ziel kurz vor Schließung des Visitorcenters. Dort besorgte ich mir noch schnell eine Wanderkarte und fand darin einen kurzen Spaziergang zur Bucht in der man direkt in dem Becken steht, welches bei Ebbe frei wird. Die Sonne am Ende des Tages schuf harte Kontraste in dem verwunschenen Wald. So konnte man dünne Spinnenfäden im Licht blitzen sehen oder die Rinde der Bäume angestrahlt wie durch künstliches Spotlight. Die Bucht füllte sich gerade als ich unten ankam, das sagte mir auch der Gezeitenkalender. Ich stapfte durch das Watt und versuchte nicht auf den Steinen auszurutschen als mich ein lautes hohes Kreischen überraschte und siehe da, am Rande der Bucht nisteten einige Weißkopfseeadler. Majestätisch gaben Sie den Ton an als Sie das Nest verließen und in großen Zügen über die Bucht flogen. Mein Reisezoom-Objektiv ist bei solchen Entfernungen für eine schönes Portrait doch ein wenig unterdimensioniert. Auf die Flut konnte ich mit meinem leeren Magen nicht warten, es würde noch Stunden dauern.
Bevor die Sonne unterging suchte ich mir noch einen Platz im Nationalpark um ein weiteres Mal Kürbissuppe zu kochen, denn ich hatte noch eine Hälfte der Frucht aus PEI übrig. Nach dem Suppen-Dauerkonsum, ist dann das Brot mit Käse langsam zum Highlight geworden. Abends wurde ich dann ständig von Rangern kontrolliert das ich beim WIFI-Sniffen am Visitorcenter im Auto nicht einschlafe, und aus versehen im Park übernachte. Ich verdrückte mich und fand etwas außerhalb eine Waldeinfahrt an der Straße, vorsichtshalber weit über dem Ort. Mir waren die Ausmaße der berüchtigt-gewaltigen Gezeitenwelle doch noch gar nicht Bewusst. 😉

Am nächsten Tag, wie auch den darauf folgenden war ich im Nationalpark wandern. Es waren keine steilen Hikes auf Berggipfel, eher gemütliche Wege durch schöne in den Farbtopf gefallene New England-Acadian Forests. Eine einzigartige Form des Mischwaldes in dieser Region, welche das Habitat von 58 Säugetierarten bildet. Die Gegend ist geprägt mit wunderschönen Wasserfällen und kleinen Flüssen die sich durch Moosbedeckte Steine schlängeln. Ein Teil der Wanderwege führt entlang der Bay of Fundy und bietet Ausblick richtung Nova Scotia, auf der anderen Seite der Bucht. Auf dem Weg hinunter zum größten Wasserfall des Parks, den 16m hohen Third Vault Fall, spürte man einen deutlichen Temperaturabfall. Im Gegensatz zu dem Anstieg der körpereigenen Temperatur beim hinaufsteigen auf dem Rückweg. Das ins Tal stürzende Wasser nutze ich direkt als Motiv um die Grenzen der Belichtungszeiteinstellung meiner XT-1 auszutesten. Das Licht am Nachmittag war ausreichend um die Fluten gestochen scharf einzufrieren. Wie man unten sieht übte ich mich noch in anderen Experimenten. Pornöse Wasserfallszenen, schön aus der Hand gefeuert.
An diesem Tag war es besonders schön, da ein leichter Nieselregen in der Luft lag, die Bäume jedoch mich vor Nässe schützten. Das Wetter isoliert jedes Geräusch und man wandert durch einen seelenruhigen verschlafenen Wald, bis man das rauschen des Wasserfalles hört. Die Tierwelt hat sich mir in Fundy größtenteils erfolgreich verwehrt. Ich entdeckte nur Bären- und Elchspuren im Matsch. Dafür begegnete ich vielen anderen Wanderern oder Spaziergängern mit teilweise lustigen Konversationen. Ein älterer Herr versicherte mir auch deutsch zu sein, denn seine Vorfahren sind im 17. Jahrhundert nach Kanada ausgewandert. Wo waren eigentlich meine Ahnen im 17. Jahrhundert?

Anders als der Regenschauer eines Nachts, eröffnete sich mir an diesem Abend ein tolles Naturschauspiel. Vor den Klippen 40m über der Bucht von Alma, dem nahegelegenen Ort, entstand eine riesige Wattfläche durch die Ebbe. Am Himmel leuchtete der Vollmond und setzte das ganze Spiel in Szene. Dies musste ich natürlich irgendwie festhalten, das Stativ ist dazu mein treuer Gefährte geworden. Im Hafen lagen die Schiffe der Hummer-flotte von Alma im trockenen, die Fangkörbe gestapelt in einer beunruhigenden Stille. Perfekt für einen Mord zu Beginn eines Tatorts. Vielleicht erschien mir der Ort jedoch nur so, da die Hummerfang-Saison vorbei war. Diese Stimmung der Abgeschiedenheit durch das Ende der Saison spürte man im gesamten Ort, gerade hier an der Küste wenn dazu noch die Wolken tief im Tal hängen. Es gab hier nichts mehr zu erleben, bis auf das schöne Pizza-lokal an der Straße mit seiner Huldigung amerikanischer Gangster der frühen 30er Jahre. Die Vegetarische Pizza die im Gegensatz zu allen anderen Pizzen den Namen des ersten Direktors des FBI „J. Edgar Hoover“ trug, war mein Highlight.
Bevor ich den Ort verlassen konnte zwang mich mein Auto jedoch ein weiteres Mal die Auspuff-Konstruktion zu überarbeiten. Das Gewinde der Schelle auf Seite des Bruchs war leider zu sehr abgenutzt, dass es den Vibrationen nicht mehr stand hielt. Nachdem ich das Verbindungsstück gewendet und von allen Seiten neuen Draht gewickelt hatte, konnte ich endlich weiter ziehen.

I’ve Been Everywhere (Man)

Ich machte mich noch am selben Nachmittag auf den Weg zu meinem nächsten Ziel. Das über die Grenzen von New Brunswick berühmte Stück Land von Don und seiner Hündin Sally, besser bekannt als Shire Camping. Der Kostenfreie Campingplatz entzückt mit künstlerisch gestalteten und selbst gebauten Elementen wie eine Pergola mit Feuerstelle und Hängebänken, zwischen alten Wohnwagen steht ein Blechmann wie in dem Zauberer von Oz und beschützt das Feld oder einem Schrein aus Elchgeweih und Flossen. Nebenan hinter dem Gemüsefeld befand sich noch ein alter Friedhof aus dem 19. Jahrhundert. Der Campingplatz kommt ohne fließend Wasser und Strom aus und bietet sich perfekt für eine Rast an. Aber das eigentliche Erlebnis ist den Besitzer dieser fast autonomen Wiese kennen zu lernen. Bevor ich aussteigen konnte begrüßte mich Sally leicht argwöhnisch, ein Schild meinte aber das sie niemals beißen würde und so öffnete ich doch die Tür. Kurz schnuppern und alles ist Okay. Von der Gegenüberliegenden Seite der Straße winkte schon Don und lud mich auf eine kleinen Smalltalk mit Wein ein. Keine 5 min später philosophierten wir über den goldenen Sonnenuntergang der sich gerade vor unseren Augen abspielte. Man fühlte sich sofort herzlich willkommen. Was ich auf dem Campingplatz mache war mir freigestellt, solang es sich im Rahmen der Humanität und goldenen Regel bewegt, was für ein entspannter Mensch.
Mein Abendbrot musste ich abbrechen und in den Wagen verlegen, die Anzahl und Intensität der Mücken hier war grauenvoll, es half auch kein Insektenschutz mehr. Ich habe Tiere getötet, es ging nicht anders. Es wurde Nacht und ich lag schon im Kofferraum und las, als ein weiteres Auto eintraf. Ich ging raus und checkte die Moskitolage, alle waren verschwunden. Es scheint sie kommen nur zur Dämmerung hinaus. Ich machte mich mit zwei Franzosen bekannt welche auf den Weg nach Fundy waren. Wir teilten Bier, Erfahrungen und machten Feuer – also ein ganz normaler Abend im Shire Camp.
Am nächsten Tag reiste ich wieder ab, nicht aber ohne nochmal mit Don das aktuelle Weltgefüge zu besprechen und Geschichten über viele andere Reisende die diesen Ort streiften zu erfahren. Nur einmal in den 15 Jahren gab es einen unangenehmen Zwischenfall das Unbekannte anfingen Teile des Campingplatzes zu verbrennen. Blöd nur wenn man dabei das Handy dort vergisst. Karma alter! Aus frischer Ernte gab mir Don noch Topinambur mit, welche hier jedoch Jerusalem artichoke heißt und erklärte mir wie ich die Wurzeln zubereiten soll. Vielen Dank für diese schöne Herberge. Den „Everywhere-Man“ Song von Hank Snow summe ich bis heute noch.

While My Tire Gently Weeps

Ich machte mich von da aus auf den Weg zu den Hopewell Rocks im schokoladenbraunen Petitcodiac. Diese am Boden verjüngten Steine, die mich stark an Formationen des Elbsandsteingebirges erinnerten, stehen bei Ebbe frei und können zu Fuß aus betrachtet werden. Der Touristenhype ist meinem Geschmack nach ein wenig übertrieben, für das was man an Cape Rocks zu sehen bekommt. Für ein paar Fotos hat es gereicht.

Mit Nashville Pussy auf Anschlag fuhr ich zurück nach Moncton, wo ich ein weiteres Mal das Schwimmbad aufsuchte. Schließlich benötigte ich mal wieder eine Dusche und die Möglichkeit in der Sauna zu entspannen war auch sehr verlockend. Vorher galt es aber einige Bahnen zu ziehen um zu testen ob ich noch dem goldenen Schwimmabzeichen gerecht werde. Strecke geschafft, an einer guten Zeit müsste ich noch arbeiten.
Nachdem ich fertig war, besorgte ich mir die Gitarre welche ich bei Kleinanzeigen entdeckt hatte. Der arme Junge der nicht den Rockstar-Träumen des Vaters entsprach, hatte das Instrument nie angerührt. Die Qualität der Klampfe ist für die kurze Zeit gerade noch hinzunehmen. Ich war zufrieden, weil auf der Tragehülle das Batman-Logo klebte.
Zum Abendbrot machte ich ein Topinambur Pfanne mit kleinen weißen Rüben. War lecker.

Die Stadt Moncton hatte trotzdem was für mich zu bieten, und zwar ständig Stress mit dem Auto. Am nächsten Morgen entdeckte ich einen ziemlich schlappen linken Hinterreifen. Bei genauem hinsehen entdeckte ich einen Schraubenkopf im Profil, an diesem sich fröhlich Blasen in der Spucke bildeten. Ich hatte mich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, nun die leidvolle Aufgabe vor mir zu haben, das festgerostete Hinterrad zu lösen. Also holte ich bei Walmart Handschuhe und WD-40. Dort fand ich aber eine Werbetafel die Reifenreparatur für keine 25$ anbot. Kurz abgeklärt ob es bei meinem Fall geht, war ich froh das Problem auf diesem Weg zu lösen. Mit geflicktem Mantel und der Schraube als Andenken konnte ich mich endlich auf die Spur zum Kouchibouguac Nationalpark machen.

6 Kommentare

  1. Nettimum sagt:

    Fantastische Fotos und super schön erzählt. Ich bin erfreut, dich so glücklich zu erleben. LG

  2. Karl-Heinz Schölzel sagt:

    Immer wieder herrlich, diese tollen Bilder und die erfrischende Art Deiner Erzählungen – vielen Dank und mach bitte weiter so!

  3. Edding sagt:

    Schön schön, also mal kurz rein lesen in deine Blocks ist garnicht möglich…erst wenn er zu Ende ist, merkt man das kurz bisschen länger war ?
    Schick-schön….

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